Der Veranstaltungsort war bewusst gewählt, denn auch Bürgerinnen und Bürger waren zu der Fachkonferenz eingeladen. Rund 160 Gäste in und vor der Kirche, sowie 70 weitere online zugeschaltet, verfolgten ein kurzweiliges Programm mit vielen inspirierenden Beiträgen.
„Wir sind hier in einer äußerst spannenden Region, denn nirgendwo sonst in Europa wird sich die Landschaft in den nächsten Jahren so deutlich verändern, wie das hier der Fall ist“, sagte Wolfgang Spelthahn, Landrat des Kreises Düren und Aufsichtsratsvorsitzender der Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH, die das Zukunftslabor veranstaltet. Er betonte, dass Veränderung nicht von außen verordnet werden könne, sondern nur im Miteinander in der Region gelingen kann. Im Hinblick auf die in den kommenden Jahren zu erwartenden Preissteigerungen von Grundstücken in der Region betonte Spelthahn: „Die Menschen, die hier aufwachsen, müssen sich auch zukünftig hier heimisch fühlen können. Wir dürfen das Feld daher nicht irgendwelchen Spekulanten überlassen.“
Alle Meinungen sind gefragt
Den Menschen im indeland künftig weitere Möglichkeiten zur Mitsprache und Teilhabe zu geben, sei kein Projekt, betonte Jens Bröker, Geschäftsführer der indeland GmbH: „Beteiligung ist eine Frage der Haltung, mit der wir anderen Menschen begegnen. Es geht darum, die Meinungen anderer auszuhalten und in einen Dialog einzutreten. Wir wollen deutlich machen, dass wir die Zukunft unserer Region gemeinsam suchen und gestalten.“ Die Richtung sei bereits beschlossene Sache, aber auf dem Weg dahin seien in den nächsten Monaten und Jahren noch viele weitere Weichen zu stellen. „An den Stellen, an denen sie sich beteiligt und betroffen fühlen, wollen Bürgerinnen und Bürger berechtigterweise gehört werden. Mit dem Zukunftslabor wollen wir zeigen, dass wir es ernst meinen mit der Beteiligung im indeland.“
Um dies sicherzustellen, wird es im indeland ab Sommer ein Partizipationsmanagement geben, das neue Angebote zur Beteiligung starten wird. Das Zukunftslabor blickte dazu über die Grenzen der Region hinaus und vermittelte, wie vielfältig solche Formate sein können.
„Mit dem Zukunftslabor wollen wir zeigen, dass wir es ernst meinen mit der Beteiligung im indeland.“
Impulse aus den Niederlanden
Wie Beteiligung bei unseren Nachbarn funktioniert, zeigte Bart Temme, Projektmanager bei IBA Parkstad Limburg. Er war dafür verantwortlich, die Bürgerschaft konstruktiv in den regionalen Entwicklungsprozess in der einstigen Bergbauregion im Süden der Niederlande einzubinden. Unter dem Titel „Bewoners maken Parkstad“ hat er zusammen mit seinem Team rund 60 Projekte gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern initiiert. „Nehmen Sie sich Zeit, um mit Bewohnern, Unternehmern und anderen zu sprechen. Hören Sie zu und wägen Sie dann gemeinsam ab, was angepackt wird und was nicht“, so Temmes Ratschlag an die Macherinnen und Macher im indeland. Die IBA Parkstad hat allen Ideen auf einer Website eine Bühne gegeben, um dann im Rahmen größerer IBA-Projekte gezielt die Finanzierung und Umsetzung einzelner Vorhaben anzugehen.
Die Rolle von Kunst und Kultur im Strukturwandel unterstrich Prof. Christiane Vaeßen, Geschäftsführerin von Region Aachen Zweckverband. „Ich wünsche mir, dass die Menschen Spaß am Verändern bekommen“, beschrieb sie ihre Vision des indelandes. In Deutschland sei man meist sehr technokratisch und strategisch unterwegs. Mit Kunst- oder Literaturprojekten ließen sich die Menschen jedoch oft besser erreichen als mit herkömmlichen Beteiligungsformaten.
Strukturwandel als Ortsgespräch
Ein Beispiel dafür sind die 40 Erzählsalons, die Katrin Rohnstock in der Lausitz durchgeführt hat. Beim Zukunftslabor berichtete sich von ihren Erfahrungen. Rohnstock holte die Menschen in dem ostdeutschen Braunkohlerevier an einen Tisch, um ihre persönliche Geschichte zu erzählen. „Das Erzählen und gegenseitige Zuhören stellt den Menschen und seine Erfahrungen in den Mittelpunkt des Wandels“, so Rohnstock, deren Team die Geschichten dokumentierte und in einer Broschüre veröffentlichte.
Prof. Christa Reicher, Vorsitzende des Revierknotens Raum der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, hofft darauf, dass derartige Beteiligungsformate dazu beitragen, die Transformation der Region „zum Ortsgespräch“ zu machen. Visionäre Zukunftsbilder könnten dabei als Ausgangspunkt für Initiativen und Anregungen aus der Bürgerschaft dienen.
Wie vielfältig die Stimmen und Interessen in der Region sind, vermittelte ein eingespielter Videofilm, in dem Jugendliche ebenso zu Wort kamen wie Vertreterinnen und Vertreter für Landwirtschaft, Naturschutz, Gewerkschaften und Kirchen.
Michael Eyll-Vetter, Leiter der Sparte Entwicklung Braunkohle der RWE Power AG, legte in seinem Vortrag dar, dass insbesondere die Rekultivierung der Landschaft nicht ohne die Beteiligung der Menschen gelingen könne, die sich jahrzehntelang mit dem Tagebau arrangieren mussten.
Der Indener Bürgermeister Stefan Pfennings setzt dabei auf die Kraft „von unten nach oben“. Lebendige Orte bräuchten engagierte Bürgerinnen und Bürger, wie das Beispiel Schophoven, aber auch viele andere Orte im indeland zeigten. „Hier gibt es Menschen, die Verantwortung übernehmen, die anpacken und die Leute zusammenbringen. Diese gesellschaftlichen Kräfte gilt es zu nutzen, um solche Mammutbaustellen wie den Strukturwandel zu bewältigen.“
Wer nicht am Zukunftslabor teilnehmen konnte, kann sich die Aufzeichnung der Veranstaltung im Internet ansehen. Das Video ist abrufbar unter www.zukunftslabor-indeland.de.